Basiswissen

Leistungsbestimmung von Heiz- und Kühleinrichtungen zur Wärmeübertragung

Neue Erkenntnisse aus theoretischen und experimentellen Analysen

Mittwoch, 20.03.2024

Normen müssen reproduzierbare Ergebnisse liefern. Die Prüfbedingungen sollten dabei so gestaltet sein, dass ...

Quelle: Eldisa Sijamhodzic

... möglichst die häufigsten Betriebszustände in der Praxis betrachtet werden. Bei den aktuellen Verfahren ist das nicht vollständig der Fall, da niedrige Systemtemperaturen und geringe Masseströme unzureichend berücksichtigt werden. Diese Problemstellung möchte die nachfolgende Veröffentlichung aufgreifen und Ergebnisse und Korrekturvorschläge für zwei Normen vorschlagen [1].

Flächenheiz- und Flächenkühlsysteme sowie freie Heizflächen stellen zum heutigen Zeitpunkt bei wasserbasierten Anlagen die am häufigsten eingesetzten Systeme zur Wärme- und Kälteübergabe im Raum dar. Wichtig ist es beim planerischen Einsatz der Systeme, dass die resultierenden thermischen Leistungen möglichst exakt bestimmt werden können. Für Flächenheiz-/-kühlsysteme sind die DIN EN 1264 [2] sowie die ISO 11855 [3], die hinsichtlich des Berechnungsverfahrens identisch sind, anzuwenden. Bei den freien Heizflächen gilt die EN 442 [4] zur Leistungsbestimmung.

Stand der Technik zur Leistungsbestimmung

Das Messverfahren der EN 442 für freie Heizflächen beruht auf einer kalorischen Bilanzierung in einer Prüfkabine mit A = 20 m2 Grundfläche und einer Höhe von h = 3 m. Als Prüftemperaturen sind Vorlauf-/ Rücklauftemperaturen von ϑVR = 75 °C/ 65 °C und ϑVR = 55 °C/45 °C vorgesehen – bei konstantem Massestrom. Die unter diesen Bedingungen ermittelten Heizleistungen können mit Gleichung (Gl.) 1, in Kombination mit Gl. 2 und 3, auf andere Systemtemperaturen umgerechnet werden.

Gleichungen 1 bis 3.
Quelle: TUD
Gleichungen 1 bis 3.

Gl. 2 spiegelt hierbei die Berechnung mit einer logarithmischen Temperaturdifferenz und Gl. 3 mit einer arithmetischen Temperaturdifferenz wider. Die Voraussetzung eines konstanten Massestroms ist in der Praxis jedoch nicht immer gegeben. Trotz häufig eingesetzter Heizkurvenregelung in Abhängigkeit der Außentemperatur wird raumseitig eine Massestromdrosselung durch das Thermostatventil vorgenommen. Die Leistungskennwerte werden hierdurch signifikant beeinflusst. Wünschenswert wären daher einfache Korrekturfunktionen, die eine Massestromveränderung berücksichtigen.

Bei bauteilintegrierten Systemen erfolgt die Leistungsbestimmung nach einer festen Beziehung (Gl. 4). Sie beschreibt den Wärmeübergang an einer Oberfläche. Die Wärmeübergangskoeffizienten sind stark von der Oberflächentemperatur und hierbei indirekt von der Teilung der Rohre (das heißt, dem Abstand) abhängig. Besonders bei Niedertemperatursystemen sind die in DIN EN 1264 sowie der ISO 11855 hinterlegten Wärmeübergangskoeffizienten nicht mehr umfänglich gültig, wodurch zu hohe Wärmeleistungen der Systeme berechnet werden.

Gleichung 4.
Quelle: TUD
Gleichung 4.

Analysen

Freie Heizflächen

Zur Analyse von freien Heizflächen wurden zunächst messtechnische Untersuchungen in Kooperation mit der HLK-Stuttgart GmbH nach der Prüfnorm EN 442 vorgenommen. Die dabei verwendeten Vorlauftemperaturen waren ϑV = 75 °C/50 °C sowie 45 °C. Die Raumtemperatur wurde bei ϑi = 20 °C nahezu konstant gehalten. Variationsparameter war der Massestrom ṁ. Mit den bestimmten Temperaturen wurde die Leistung des Wärmeübergabesystems bestimmt. Als Bewertung wurden Kennwerte mit Bezug zu den Werten beim Normmassestrom unter Nutzung des relativen Massestromverhältnisses mrel gebildet. Tabelle (Tab.) 1 liefert die entsprechenden Ergebnisse der Analysen für eine Auswahl von Heizkörpertypen. Analysiert wurden Heizwände, Röhrenradiatoren sowie Plattenheizkörper in unterschiedlicher Ausführung und Anschlussart.

Tabelle 1: Exemplarische Bestimmung der Leistungskennwerte eines Plattenheizkörpers 22-600-2.000 (Anschluss: gleichseitig/parallel durchströmt).
Quelle: TUD
Tabelle 1: Exemplarische Bestimmung der Leistungskennwerte eines Plattenheizkörpers 22-600-2.000 (Anschluss: gleichseitig/parallel durchströmt).

Betrachtet man die Ergebnisse bei unterschiedlichem Massestromverhältnis, so ist zu erkennen, dass mit sinkendem Wert die Heizleistung abnimmt. Beachtet man die Kennwerte der kalorischen Bilanz (Gl. 5) und vergleicht diese mit den Kennwerten der arithmetischen (Gl. 1/Gl. 3) und logarithmischen Bilanz (Gl. 1/Gl. 2), so werden Abweichungen detektiert. Es treten Kennwerte auf, die einmal leicht über den Kennwerten der kalorischen Bilanz liegen und einmal leicht unter diesen.

Besonders interessant ist das Verhältnis mit Bezug auf das relative Massestromverhältnis von 1 (die letzten beiden Spalten in Tab. 1). Hier ist zu erkennen, dass die arithmetische Betrachtung deutlich höhere Kennwerte liefert als die logarithmische. In Bezug auf die absoluten Kennwerte liegen die Kennwerte der logarithmischen Bewertung bei dem in Tab. 1 dokumentierten Heizkörper näher an der kalorisch ermittelten Bilanz.

Auszug aus den messtechnischen Analysen (Heizwand/Plattenheizkörper).
Quelle: TUD
Auszug aus den messtechnischen Analysen (Heizwand/Plattenheizkörper).

Zusätzlich zu den detaillierten Kennwerten der Tab. 1 wurden weitere Heizkörpertypen und Anschlussraten analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass es hier keine klare Tendenz bei der arithmetischen und logarithmischen Berechnung gibt. Im Mittel ist jedoch festzustellen, dass die logarithmische Betrachtung den kleineren Fehler in Bezug auf die kalorische Bilanz aufweist. Aus diesem Grund wurden alle weiteren Analysen mit der logarithmischen Bilanzierung durchgeführt.

Gleichung 5.
Quelle: TUD
Gleichung 5.
Tabelle 2: Leistungsverhältnis für unterschiedliche Heizkörperanschlüsse nach [5].
Quelle: TUD
Tabelle 2: Leistungsverhältnis für unterschiedliche Heizkörperanschlüsse nach [5] (Gültigkeitsgrenze auf Grundlage der Messdaten: 0,2 ≤ (m ̇/m ̇ N)).
Abbildung 1: Leistungsverhältnisse in Abhängigkeit der Anschlussart und des relativen Massestromverhältnisses nach [5].
Quelle: TUD
Abbildung 1: Leistungsverhältnisse in Abhängigkeit der Anschlussart und des relativen Massestromverhältnisses nach [5].

Mit den dokumentierten Ergebnissen wurden Korrekturfaktoren in Abhängigkeit des Massestromverhältnisses bestimmt. Grundsätzliche Leistungsverhältnisse für unterschiedliche Anschlussarten sind schon in [5] hinterlegt, ebenso in Tab. 2 und Abb. 1. Der dortigen Vorgehensweise folgend wurde für alle Messungen ein Korrekturfaktor nach Gl. 6 bestimmt:

Gleichung 6.
Quelle: TUD
Gleichung 6.
Korrekturfaktor F in Abhängigkeit des Massestromverhältnisses (Heizwände).
Quelle: TUD
Korrekturfaktor F in Abhängigkeit des Massestromverhältnisses (Heizwände).
Korrekturfaktor F in Abhängigkeit des Massestromverhältnisses (Röhrenradiator).
Quelle: TUD
Korrekturfaktor F in Abhängigkeit des Massestromverhältnisses (Röhrenradiator).
Korrekturfaktor F in Abhängigkeit des Massestromverhältnisses (Plattenheizkörper – parallel durchströmt).
Quelle: TUD
Korrekturfaktor F in Abhängigkeit des Massestromverhältnisses (Plattenheizkörper – parallel durchströmt).
Korrekturfaktor F in Abhängigkeit des Massestromverhältnisses (Plattenheizkörper – seriell durchströmt).
Quelle: TUD
Korrekturfaktor F in Abhängigkeit des Massestromverhältnisses (Plattenheizkörper – seriell durchströmt).

Der Mittewert der Messwerte für die Heizwände und Röhrenradiatoren zeigt eine klare Tendenz mit niedrigerem Massestromverhältnis. Hier sinkt die relative Leistungsabgabe deutlich ab. Beim System mit Plattenheizkörper und serieller Durchströmung kann dies nicht beobachtet werden. Hier bleiben die Kennwerte auch bei niedrigen Masseströmen nahezu konstant. Tab. 3 dokumentiert die Korrekturansätze für alle analysierten Systeme.

Tabelle 3: Korrekturkennwerte in Abhängigkeit des Massestromverhältnisses für unterschiedliche Heizkörpertypen.
Quelle: TUD
Tabelle 3: Korrekturkennwerte in Abhängigkeit des Massestromverhältnisses für unterschiedliche Heizkörpertypen (Gültigkeitsgrenze auf Grundlage der Messdaten: 0,2 ≤ (m ̇/m ̇ N)).
Abbildung 2: Korrekturfaktor F in Abhängigkeit des Massestromverhältnisses.
Quelle: TUD
Abbildung 2: Korrekturfaktor F in Abhängigkeit des Massestromverhältnisses.

Die Gültigkeit der Korrekturformeln in Tab. 3 gelten bis zu einem Wert von 0,2 ≤ (m ̇/m ̇ N)). Bei kleineren Massestromverhältnissen konnten keine Messwerte bestimmt werden. Eine Extrapolation in einem Bereich mit kleineren Massestromverhältnissen wird durch die Autoren nicht empfohlen.

Für die Systeme mit Plattenheizkörper (seriell) und Gebläsekonvektor wird keine Korrektur vorgeschlagen. Hier bilden sich auf der raumzugewandten Oberfläche keine thermischen Hotspots aus, die ein Anpassen des Leistungskennwertes bei kleineren Massestromverhältnissen bedürfen.

Bauteilintegrierte Systeme

Die Betrachtungen zu freien Heizflächen sollen nachfolgend noch zu bauteilintegrierten Systemen ergänzt werden. Darunter werden Systeme verstanden, die eine formschlüssige Verbindung mit der Umfassungskonstruktion aufweisen (Systeme ohne Luftspalt). In [6] und [7] wurde zu deren Berechnung ein Algorithmus vorgestellt, der ein iteratives Verfahren zur Bestimmung der Wärmeübergangskoeffizienten berücksichtigt.

Am Beispiel eines Systemvergleichs sollen nachfolgend die Unterschiede zur Berechnung nach EN 1264 dokumentiert werden. Grundlage bildet ein Konstruktionsbeispiel eines typischen nassverlegten Systems nach Abb. 3. Zusätzlich wurde eine FEM-Simulation (Finite-Elemente-Methode) durchgeführt, die ebenfalls zu Vergleichszwecken herangezogen werden soll. Tab. 4 dokumentiert die Ergebnisse der Analysen.

Abbildung 3: Konstruktionsbeispiel für die Vergleichsbetrachtungen – System A nach EN 1264.
Quelle: TUD
Abbildung 3: Konstruktionsbeispiel für die Vergleichsbetrachtungen – System A nach EN 1264.
Tabelle 4: Leistungskennwerte nach unterschiedlichen Berechnungsverfahren – System mit normaler Überdeckung (System A nach EN 1264).
Quelle: TUD
Tabelle 4: Leistungskennwerte nach unterschiedlichen Berechnungsverfahren (Rl,B = 0,1 W/(m2K) / ΔϑH = 20 K) – System mit normaler Überdeckung (System A nach EN 1264).

Diese zeigen deutlich den Einfluss der iterativen Berechnung der Wärmeübergangskoeffizienten. Besonders bei großen Teilungen und hieraus resultierenden geringen Oberflächentemperaturen können Differenzen von bis zu 3,6 Prozent im Vergleich zur Berechnung nach EN 1264 [2] auftreten.

Abbildung 4: Wärmeleistung eines Flächenheizsystems in Abhängigkeit der Teilung für unterschiedliche Berechnungsverfahren.
Quelle: TUD
Abbildung 4: Wärmeleistung eines Flächenheizsystems in Abhängigkeit der Teilung für unterschiedliche Berechnungsverfahren.

Zusätzlich zu dem in Abb. 3 beschriebenen System A nach EN 1264 wurde ein System mit geringer Überdeckung analysiert. Der Systemaufbau sowie die Berechnungsergebnisse sind Abb. 5 und Tab. 5 zu entnehmen.

Abbildung 5: Konstruktionsbeispiel für die Vergleichsbetrachtungen – System mit geringer Überdeckung.
Quelle: TUD
Abbildung 5: Konstruktionsbeispiel für die Vergleichsbetrachtungen – System mit geringer Überdeckung.
Tabelle 5: Leistungskennwerte nach unterschiedlichen Berechnungsverfahren – System mit geringer Überdeckung.
Quelle: TUD
Tabelle 5: Leistungskennwerte nach unterschiedlichen Berechnungsverfahren (Rl,B = 0,1 W/(m2K) / ΔϑH = 20 K) – System mit geringer Überdeckung.

Beim System mit geringer Überdeckung werden die gleichen Tendenzen festgestellt wie beim System A nach EN 1264. Die relativen Unterschiede fallen jedoch größer aus und betragen bis zu X = -10,4 Prozent. Dies ist nicht verwunderlich, da mit geringerem Widerstand über den Heizrohren der Wärmeübergangskoeffizient einen höheren Einfluss auf die Wärmeübergabe besitzt.

Schlussfolgernd aus diesen Analysen muss festgestellt werden, dass bei heutigen Betriebs- und Installationsbedingungen die Leistungsberechnung nach EN 1264 tendenziell zu hohe Leistungskennwerte bestimmt, was durch einen festen Wärmeübergangskoeffizienten in der Berechnung hervorgerufen wird. Der normative Berechnungsalgorithmus sollte hier angepasst werden.

Zusammenfassung

Die Analysen der vorangegangenen Abschnitte zeigen, dass die Verfahren zur Leistungsbestimmung bei unterschiedlichen Wärmeübergabesystemen angewendet werden können, jedoch zukünftig Erweiterungen erfahren sollten. Bei freien Heizflächen sollte normativ über die Ergänzung eines informativen Anhanges in Hinblick auf den Einfluss des Massestromverhältnisses nachgedacht werden. Dies wäre für Planer und Installateure eine hilfreiche Information.

Bei Flächenheiz- und -kühlsystemen sollte das Berechnungsverfahren der EN 1264 strukturell überarbeitet oder ersetzt werden. Hier ist besonders auf die Berücksichtigung eines flexiblen Verfahrens zur Abbildung unterschiedlicher, konstruktiver Ausführungen unter Berücksichtigung eines iterativen Verfahrens zur Bestimmung des Wärmeübergangskoeffizienten zu achten.

[Prof. Dr.-Ing. habil. Joachim Seifert (TUD und TUB), Dipl.-Ing. Lars Schinke, Dr.-Ing. Martin Knorr; TU Dresden (TUD); Gebäudeenergietechnik und Wärmeversorgung; 01069 Dresden; joachim.seifert@tu-dresden.de ]

Übersicht zu den verwendeten Symbolen.
Quelle: TUD
Übersicht zu den verwendeten Symbolen.

Literatur

[1] Die dieser Veröffentlichung zugrundeliegenden Analysen wurden erstmals beim TGA-Kongress 2023 am 23./24.05.2023 vorgestellt (Vortrag: „Leistungsbestimmung von Heiz- und Kühleinrichtungen zur Wärmeübertragung – neue Erkenntnisse aus theoretischen und experimentellen Analysen“).

[2] DIN EN 1264: Raumflächenintegrierte Heiz- und Kühlsysteme mit Wasserdurchströmung, Deutsches Institut für Normung e.V.; 2021.

[3] ISO 11855: Umweltgerechte Gebäudeplanung – Flächenintegrierte Strahlungsheiz- und -kühlsysteme, Deutsches Institut für Normung e.V.; 2021.

[4] DIN EN 442: Radiatoren und Konvektoren – Teil 2: Prüfverfahren und Leistungsangabe, Deutsches Institut für Normung e.V.; 2015.

[5] Recknagel, H.; Sprenger, E.; Albers, K. (Hrsg.): Taschenbuch für Heizung und Klimatechnik. München: 77. Auflage, R. Oldenburg Verlag GmbH, 2015. ISBN 978–3–8356–3301–8.

[6] Glück, B.: Strahlungsheizung – Theorie und Praxis, VEB Verlag für Bauwesen, 1981.

[7] Seifert, J.: Flächenheiz- und Flächenkühlsysteme – Grundlagen Wärmephysiologie – Auslegung – Systemintegration, Springer Vieweg Verlag, 2021.

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