Basiswissen

Nachhaltigkeit von intelligenten Gebäuden

Ein Blick auf die Gesetzgebungen und Praxismöglichkeiten

Mittwoch, 22.11.2023

Gebäude sind durch ihre Herstellung und den Betrieb für einen erheblichen Teil der CO2-Emissionen in Europa verantwortlich.

Treibhausgas-Emissionen und Zielpfad für den Gebäudesektor nach [5].
Quelle: Prof. Dr. Christian Fieberg
Treibhausgas-Emissionen und Zielpfad für den Gebäudesektor nach [5].

Die EU und Deutschland wollen durch milliardenschwere Maßnahmenpakete diese Emissionen bis zum Jahr 2045 (Deutschland) und 2050 (EU) auf null reduzieren. Neben der Gebäudehülle – als maßgeblicher Faktor für die Wärmebilanz zum Heizen und Kühlen – spielt dabei die Gebäudeautomation eine wichtige Rolle. Wie Gebäude intelligenter und smarter werden und wie sich das auf die Energieeffizienz auswirkt, soll im Folgenden betrachtet werden.

Die Europäische Union hat beschlossen, dass sie bis zum Jahr 2050 eine gesamtwirtschaftliche Klimaneutralität erreichen will [1]. Auf dem Weg dahin wurde das Programm „Fit for 55“ aufgelegt, mit dem bis zum Jahr 2030 bereits eine Reduktion um 55 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 erreicht werden soll. In Deutschland sind die Ziele noch ambitionierter. Hier fordert das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) eine Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 [2]. Dies betrifft alle Sektoren (Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft), wobei der Gebäudesektor in 2022 mit 122 Mio. t CO2-Äquivalent einen Anteil von 16,3 Prozent an den Gesamtemissionen besitzt [3]. Dieser Wert repräsentiert die Treibhausgas (THG)-Emission zur Wärmebereitstellung nach KSG, Anlage 1 [2].

Emissionen durch den Strombedarf (zum Beispiel Beleuchtung, Klimatisierung) sowie durch die Errichtung der Gebäude (graue Energie) werden in den anderen Sektoren berücksichtigt. Kumuliert liegt der Anteil der Gebäude an den THG-Emissionen daher bei etwa 40 Prozent [4]. Die Reduktionsziele im Gebäudesektor sind in Abbildung 1 dargestellt. Klar erkennbar ist das Überschreiten der Ziele seit deren Einführung mit dem KSG ab 2020 (rot umrandet).

Der Weg zur Treibhausgasneutralität im Gebäudesektor wird maßgeblich durch die Gebäudeeffizienzrichtlinie („Energy Performance of Buildings Directive“, EPBD) vorgegeben [6]. Der Entwurf liegt aktuell zur Abstimmung beim Europäischen Rat. Dennoch dient er als Grundlage für die folgenden Überlegungen. Neben den Vorgaben für Neubauten, die spätestens ab 2028 emissionsfrei sein sollen, müssen vor allem die mehr als 35 Mio. Bestandsgebäude der EU zur Nullemission geführt werden.

Beispiele des Maßnahmenkatalogs der EPBD.
Quelle: Prof. Dr. Christian Fieberg
Beispiele des Maßnahmenkatalogs der EPBD.

Gesamteffizienz von Gebäuden – Richtlinienentwurf zur EPBD 2023

Der Entwurf der EPBD 2023 legt den Schwerpunkt auf die Energieeffizienz. Mit Blick auf das Ziel der Treibhausgasneutralität 2050 werden Meilensteine für Neu- und Bestandsbauten festgelegt. Dabei wird aber auch immer der Nutzerkomfort und die Raumluftqualität berücksichtigt. Die Richtlinie ist sehr weit gefasst und gibt den regulatorischen Rahmen vor. Die detaillierte Ausgestaltung obliegt dann den Mitgliedsstaaten. So wurde bereits die bisherige EPBD zunächst als Energieeinsparverordnung (EnEV) und aktuell im Gebäudeenergiegesetz (GEG) für Deutschland konkretisiert. Der Maßnahmenkatalog für Bestandsgebäude umfasst die Bereiche Revitalisierung, Einsatz von erneuerbaren Energien und Digitalisierung, siehe Abbildung 2.

Mit Blick auf die technische Gebäudeausrüstung (TGA) und insbesondere die Gebäudeautomation (GA) werden zahlreiche Maßnahmen genannt, die ein hohes Energieeinsparpotential besitzen. Studien zufolge bietet die GA CO2-Einsparungen in Höhe von 14,7 Mio. t in Deutschland [7]. Anders formuliert kann die GA bis zum Jahr 2030 mit etwa 26 Prozent zum Reduktionsziel von 56,1 Mio. t CO2-Äquivalent beitragen, ohne dass bauliche Maßnahmen an der Gebäudehülle erfolgen müssen.

Dabei ist hervorzuheben, dass die sinnvolle Kombination aus TGA- und GA-Maßnahmen erst das volle Einsparpotential ausschöpft und das Gebäude dadurch smart wird – messbar am Intelligenzfähigkeitsfaktor der EPBD. Dieser muss allerdings noch spezifiziert werden. Beispielsweise wird eine effiziente und CO2-gesteuerte Lüftungsanlage erst richtig sparsam, wenn die GA auch die Nutzungs- und Belegungszeiten flexibel in die Regelung einspielen kann. Das Zusammenspiel der GA und der Anlagen- und Systemtechnik soll später exemplarisch am neu gebauten „EU-REF-Campus“ in Berlin verdeutlicht werden.

Anforderungen an Energiemonitoring und Gebäudeautomation aus GEG Paragraph 71 [8].
Quelle: Matthias Meier-Reichenberg
Anforderungen an Energiemonitoring und Gebäudeautomation aus GEG Paragraph 71 [8].

Realitätscheck

Gemäß aktueller EPBD wird in Artikel 11, Abschnitt 4a, festgelegt, dass Nichtwohngebäude mit entsprechender GA auszustatten sind, die in Absatz 4b in ihrer Ausprägung konkretisiert werden. Ferner gilt gemäß Absatz 4c eine abgeschwächte Variante auch für Wohngebäude. Dies stellt einen Meilenstein bei der Digitalisierung von Gebäuden dar. Die Länder müssen diese Forderungen in nationales Recht umsetzen, für Deutschland liegt ein Entwurf zur Abstimmung vor. Der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bestätigt die in der EPBD genannten Anforderungen an den Einsatz von Gebäudeautomations- und Monitoringsystemen. Zusätzlich ist hier herauszustellen, dass eine Person oder ein Unternehmen zu benennen/zu beauftragen ist, sodass der Gebäudebetrieb kontinuierlich analysiert und Potentiale für Verbesserung aus energetischer Sicht aufdeckt. Die konkreten Anforderungen sind in Abbildung 3 aufgezeigt.

Auch hier wird ersichtlich, dass nur ein sinnvolles Zusammenspiel zwischen TGA und GA den geforderten Effizienzerfolg bringen kann. Unabhängig der Bestrebungen der EU und der Bundesregierung bei den anstehenden Novellierungen, gibt es viele Beispiele, die bereits die geforderten Standards erfüllen.

EUREF-Campus, Berlin. „EUREF“ steht für das „Europäische Energieforum“ und verfolgt die Idee eines Modellquartiers für die klimaneutrale, ressourcenschonende und intelligente Stadt von morgen.
Quelle: Christian Kruppa/EUREF AG
EUREF-Campus, Berlin. „EUREF“ steht für das „Europäische Energieforum“ und verfolgt die Idee eines Modellquartiers für die klimaneutrale, ressourcenschonende und intelligente Stadt von morgen.

EUREF-Campus, Berlin

Der EUREF-Campus Berlin ist eine Ansammlung von Gebäuden – ein Stadtquartier, auf einem ehemaligen Areal der Berliner GASAG. Dieses Areal versteht sich als Zukunftsort für verschiedene Disziplinen der Energiewende und Digitalisierung. Auf dem Areal siedeln Unternehmen unterschiedlichster Bereiche und forschen gemeinsam, auch mit der Unterstützung von beteiligten Hochschulen, an innovativen Lösungen. Dabei ist der Campus mit seinen Gebäuden selbst Forschungsstandort. Der selbstgewählte Werbespruch lautet: „Der EUREF-Campus – das Reallabor der Energiewende“ [9].

Die Energieversorgung basiert auf der Erzeugung von Nahwärme und -kälte, die dann per Verbundkonzept den Verbrauchern zur Verfügung gestellt wird. Dabei werden wiederum Daten aus den Gebäuden und Flächen dem Energieversorger zur Verfügung gestellt. Mittels Verbrauchs- und Prognoseauswertungen kann die Erzeugung an den realen Verbrauch angepasst werden. Gepaart mit innovativen Speicherkonzepten wie zum Beispiel Power-to-Heat/Power-to-Cold lassen sich auch überschüssig produzierte Energiemengen für den späteren Verbrauch speichern.

Neben dem Energiekonzept verfügen alle Gebäude über fortschrittliche GA-Systeme, die dem Nutzen und der TGA der Gebäude angepasst sind. Diese GA-Systeme sind auf einer zentralen Management- und Bedieneinrichtung (MBE) aufgeschaltet und bieten dem Betreiber mit der Ankopplung an eine zentrale Energiemanagement-Plattform sowie weitere digitale Services die Möglichkeit, das gesamte Quartier effizient zu betreiben. Durch verschiedene Maßnahmen und Zertifizierungen (beispielsweise KfW Effizienzhaus 55 Standard), erreicht der Campus die ambitionierten Klimaziele der Bundesregierung von 2045 bereits heute.

Fazit und Ausblick

Die Europäische Union hat mit der EPBD und dem Programm „Fit for 55“ den Rahmen vorgegeben, wie THG-Neutralität bis 2050 erreicht werden soll. Dabei obliegt die konkrete Ausgestaltung durch Verbote, Gebote und Fördermaßnahmen den einzelnen Mitgliedsstaaten.

In Deutschland hat die aktuelle Diskussion um das GEG gezeigt, dass die Ziele und Auswirkungen der Änderungen in der Gebäudenutzung hin zu mehr Nachhaltigkeit deutlich kommuniziert und erklärt werden müssen. Nutzer, Betreiber und Investoren müssen dabei gleichermaßen den ökologischen und ökonomischen Mehrwert der Maßnahmen erkennen können. Ansonsten finden diese Maßnahmen nur wenig Akzeptanz. Leuchtturmprojekte der Architektur, der Gebäudeenergie und auch der GA sind dabei wichtige Bausteine, um „vom Reden ins Machen“ zu kommen. Der EUREF-Campus in Berlin ist so ein Beispiel für das Zusammenspiel zwischen innovativer TGA und GA, die mit nachhaltigen Quartierskonzepten und digitalen Diensten verknüpft sind.

Ist die Umsetzung der Maßnahmen der EPBD und des GEG bei Neubauten im Planungsprozess gut integrierbar und wesentlicher Bestandteil, so ist die Umsetzung bei Renovierungen doch eine mitunter größere Herausforderung. Um die Klimaziele erreichbar zu machen und aufgrund des hohen Anteils der Bestandsgebäude am Ausstoß von Treibhausemissionen, sieht die EPBD eine jährliche Revitalisierungsquote von 3 Prozent bis 2050 vor. Zudem fordert sie die Länder auf, in regelmäßigen Abständen Gebäuderenovierungspläne zu erstellen und der Kommission vorzulegen.

Betrachtet man die aktuelle Situation in Deutschland, so zeigt sich, dass derzeit nur rund 1 Prozent Revitalisierungsquote erreicht sind und die Bemühungen aktuell nicht ausreichen, die angestrebten 3 Prozent kurzfristig erreichen zu können [10]. Verstärkt wird dieses Dilemma durch das Fehlen von Fachkräften im Handwerk und der Industrie. Der Einsatz smarter Systeme kann dabei sowohl zur Umweltfreundlichkeit von Gebäuden als auch zur Attraktivität von Berufen beitragen.

Prof. Dr. Christian Fieberg Westfälisches Energieinstitut der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen christian.fieberg@w-hs.de www.w-hs.de

Matthias Meier-Reichenberg Schneider-Electric GmbH, Ratingen Matthias.Meier-Reichenberg@w-hs.de www.se.com/de/de

Literatur

[1] Europäisches Klimagesetz. Verordnung (EU) 2021/1119 des Europäischen Parlaments und des Rates.

[2] Bundes-Klimaschutzgesetz. 2021. https://www.gesetze-im-internet.de/ksg/index.html (abgerufen am 25.05.2023).

[3] Umweltbundesamt. Pressemitteilungen 2023. https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/uba-prognose-treibhausgasemissionen-sanken-2022-um (abgerufen am 25.05.2023).

[4] DENA-Gebäudereport 2022. Deutsche Energie-Agentur. https://www.gebaeudeforum.de/wissen/zahlen-daten/gebaeudereport-2022 (abgerufen am 19.06.2023).

[5] Treibhausgasminderungsziele Deutschlands. Umweltbundesamt, 2023. https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgasminderungsziele-deutschlands#internationale-vereinbarungen-weisen-den-weg (abgerufen am 19.06.2023).

[6] EPBD. Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Entwurf 14.03.2023). https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2023-0068_DE.html (abgerufen am 25.03.2023).

[7] Klimaschutz und Energieeffizienz durch digitale Gebäudetechnologien. Bitkom-Studie, 2021. https://www.bitkom.org/Bitkom/Publikationen/Klimaschutz-und-Energieeffizienz-durch-digitale-Gebaeudetechnologien (abgerufen am 19.06.2023).

[8] GEG-Referentenentwurf des BMWK, 2023. https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/P-R/20230331-referentenentwurf-2-geg-novelle.pdf?__blob=publicationFile&v=4 (abgerufen am 18.07.23).

[9] Webseite EUREF-Campus Berlin, 2023. https://euref.de (abgerufen am 13.07.2023).

[10] Kleine Anfrage an die Bundesregierung, 2021. https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Parlamentarische-Anfragen/2021/06/19-29715.pdf?__blob=publicationFile&v=4 (abgerufen am 13.07.2023).

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