Basiswissen

Gesunde Raumluft und energieeffizienter Gebäudebetrieb

Überblick: Grundlagen und Normen zur Vereinbarkeit

Mittwoch, 20.12.2023

Die Raumluftqualität und damit das Lebensmittel „Luft“ haben während der Corona-Pandemie besondere Aufmerksamkeit erfahren.

Quelle: AdobeStock

Im vergangenen Jahr schlug das Pendel wieder einseitig in Richtung der Energieeffizienz um – auch zu Lasten der Luftqualität, des Komforts und der Gesundheit. Diese Aspekte können nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Die aktuelle Überarbeitung von EU-Richtlinien zur Gesamtenergieeffizienz bietet die Gelegenheit, beides zu berücksichtigen und die Gebäudeeigenschaften transparent für Endnutzer darzustellen.

Im Rahmen des „Green Deal“ [1] und „Fit for 55“ [2] sind derzeit mehrere EU-Regularien in Überarbeitung, die wesentlich zum Erreichen der Klimaschutzziele der EU beitragen sollen. Auch die Gesamtenergieeffizienzrichtlinie für Gebäude [3] wird angepackt, die schon seit 2003 den Rechtsrahmen für die nationalen Umsetzungen im Gebäudeenergiegesetz (GEG) bildet. Im März 2023 verabschiedete das europäische Parlament auf Grundlage der Kommissionsvorschläge eine Fassung [4], die nun im Trilog zwischen EU-Kommission, EU-Rat (Mitgliedsstaaten) und EU-Parlament diskutiert wird. Bis Ende 2023 soll sie zur Entscheidung gebracht werden.

Nicht zum ersten Mal hat das EU-Parlament eingefordert, dass die Energieeffizienz der Gebäude immer unter Berücksichtigung der Innenraumqualität („Indoor Environment Quality“, IEQ) bewertet werden muss und dass die Mitgliedsstaaten hierzu Mindestanforderungen stellen müssen. In der Fassung vom März 2023 hat das EU-Parlament insbesondere im neuen Artikel 11a der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) [4] sehr weitgehende Pflichten vorgeschlagen, wie und mit welchen Parametern die Mitgliedsstaaten Anforderungen an die IEQ spezifizieren sollen. Zusätzlich sollen diese auch im Rahmen von Inspektionen überprüft und im Energieausweis dokumentiert werden.

Damit ergibt sich eine einmalige Chance, auch in Deutschland diesbezügliche Anforderungen klar und unmissverständlich in das Baurecht und insbesondere in eine der nächsten Überarbeitungen des GEG einzuführen. Was versteht die EPBD unter IEQ? Bei der folgenden Definition handelt es sich um eine eigene, nicht offizielle Übersetzung aus dem auf Englisch verfassten Entwurf der EPBD:

57g. Innenraumqualität: Auswahl von Parametern für ein Gebäude, die die Innenraumluftqualität, den thermischen Komfort, die Beleuchtung und die Akustik in Bezug auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bewohner beeinflussen.

57h. Gesundes Innenraumklima: Innenraumumgebung eines Gebäudes, die die Gesundheit, den Komfort und das Wohlbefinden der Bewohner mit bestimmten Anforderungsniveaus optimiert, einschließlich derjenigen Kenngrößen, die sich auf Tageslicht, Raumluftqualität, thermischen Komfort, insbesondere Überhitzungsschutz, und akustische Qualität beziehen.

Anforderungen EPBD, Artikel 11a

Zunächst müssen die Mitgliedsstaaten Anforderungen für das Umsetzen angemessener Innenraumqualitätsstandards stellen, die für ein gesundes Klima in Gebäuden erforderlich sind. Dies soll anhand messbarer Indikatoren erfolgen. Dazu gehören CO2-Gehalt, Temperatur und thermische Behaglichkeit, relative Luftfeuchtigkeit, Tageslichtbeleuchtungsstärke, Lüftungsrate, Akustik, Feinstaub aus Emissionen von Innenraumquellen sowie flüchtige organische Verbindungen (VOC).

Die EU-Kommission soll nach Ansicht des EU-Parlaments ermächtigt werden, über einen delegierten Rechtsakt eine Methodik für das Bewerten dieser Anforderungen zu erlassen. Die Mitgliedstaaten haben sicherzustellen, dass neue Gebäude und solche, die einer größeren Renovierung unterzogen werden, angemessene Normen für die IEQ erfüllen.

Das Festlegen der einzelnen Anforderung bleibt, im Rahmen der EU-Vorgaben, in der Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten. Es ist also nicht im Detail von der EU vorgegeben, was einzuhalten ist, sondern die Mitgliedsstaaten entscheiden innerhalb dieses Rahmens selbst. Weitergehend soll bei Inspektionen und Abnahmen überprüft werden, ob diese Anforderungen erfüllt sind. Auch im Energieausweis müssen die entsprechenden Parameter dokumentiert werden.

Damit ist aus Sicht des EU-Parlaments eindeutig klargestellt, dass die Anforderungen an das Innenraumklima und die an die Energieeffizienz gleichrangig sind oder andersherum gesagt, dass ohne eine Festlegung auf die Innenraumkonditionen keine sinnvolle energetische Bewertung und kein Vergleich zwischen unterschiedlichen Energiestandards möglich ist. Nutzer und Endkunden müssen wissen, mit welchem Energieaufwand welche Innenraumparameter eingehalten werden können.

Für das Erfüllen dieser Anforderungen sieht das EU-Parlament die Option einer ergänzenden Verordnung oder gemäß Anhang I die harmonisierte Norm EN 16798-1 vor, die die Innenraumparameter spezifiziert und klassifiziert. Sie gibt den Mitgliedsstaaten die erforderliche Freiheit, auf Basis eines eindeutigen Rahmens die notwendigen Kriterien festzulegen. In Deutschland ist sie als wichtige Planungsgrundlage, insbesondere für Nichtwohngebäude (NWG), schon etabliert. Seit 2022 liegt zudem ein nationaler Anhang vor, in dem die deutsche Sichtweise konkretisiert wird.

Die DIN EN 16798-1 [5] löste die bekannte DIN EN 15251 [6] als Norm zum Festlegen der Randbedingungen für das Innenraumklima im Gebäude ab. Viele Aspekte der DIN EN 15251 wurden in die neue Norm übernommen, jedoch gibt es auch einige signifikante Änderungen. Grundsätzlich weist die neue DIN EN 16798-1 Parameter für die Auslegung von Anlagen sowie für die Energiebedarfsberechnung aus, wobei die Anforderungen nicht an eine bestimmte Anlagentechnik gekoppelt sind. Sie gelten sowohl für Gebäude mit ventilatorgestützter Belüftung als auch für fensterbelüftete Gebäude – um nur ein Beispiel zu nennen.

Die Norm unterscheidet in Parameter der Heizungs- und Klimatechnik (thermische Behaglichkeit), der Lüftungs- und Klimatechnik (Innenraumluftqualität), der Akustik und des Komforts. Hierbei wird konsequent der Ansatz einer Klassifizierung verfolgt, das heißt, die Kategorisierung hinsichtlich der Typen I bis IV erfolgt entsprechend Tabelle 6 und ist in jedem Fall planerisch festzulegen. Ohne Festlegung gilt Kategorie II.

Für die Lüftungstechnik (Luftqualität) adressiert die Norm drei Berechnungsverfahren. Eines davon stellt eine Summation aus gebäude- und nutzerspezifischen Luftwechselraten dar (empfundene Luftqualität). Beim zweiten handelt es sich um eine klassische stationäre Schadstoffbilanz, die jedoch Aspekte der Raumluftströmung mittels des Parameters der Lüftungseffektivität berücksichtigt. Im dritten Verfahren werden Lüftungsraten tabellarisch vorgegeben, wodurch es in der Praxis einfach anzuwenden ist. Geändert haben sich gegenüber der Vorgängernorm vor allem die Grenzwerte für die zulässigen maximalen CO2-Kennwerte, die als ΔCO2 über dem Außenluftniveau angegeben sind.

Wesentliche Festlegungen im nationalen Anhang zur DIN EN 16798-1

Der nationale Anhang (NA) zur DIN EN 16798-1 gibt eine Übersicht über Anforderungen, die aus Sicht der Nutzer gestellt werden. Diese Anforderungen sollten so energieeffizient wie möglich erfüllt werden. Sinn und Zweck des Anhangs zur europäischen Norm (EN) ist, dass ihr System der Anforderungsklassen für nationale Verhältnisse anwendbar wird. Für DIN EN 16798-1 wurden die Klassen, die national gelten sollen, festgelegt und konkretisiert. Darüber hinaus werden im NA Anforderungen der EN mit weiteren nationalen Vorschriften aus Verordnungen und Regelwerken synchronisiert. Folgende Themen finden im NA der DIN EN 16798-1 Berücksichtigung:

  • Wohnungslüftung,
  • Kategorien Auslegungs-Außenluftvolumenströme für NWG,
  • Schalldruckpegel,
  • Raumluftgeschwindigkeit,
  • Raumtemperatur,
  • Raumluftfeuchte.

Bezüglich der Wohnungslüftung grenzt sich der NA zur DIN 1946-6 ab. Bis zu einer Wohnfläche von 250 m2 je Nutzeinheit muss nach der DIN 1946-6 ausgelegt werden. Ist die Wohnfläche größer, muss vor der Planung definiert werden, welche Norm angewendet werden soll, da DIN 1946-6 keine Begrenzung der Wohnfläche angibt. Außerdem werden im NA der 16798-1 nur Wohnräume behandelt, die Anforderungen auf Basis der im Raum anwesenden Personen stellen (CO2-Konzentration). Räume mit Stofflasten und Anforderungen an den Bautenschutz (Küchen, Bäder, Toiletten) werden im NA nicht behandelt.

Klassifizierung von Gebäuden nach DIN EN 16798-1.
Quelle: Abbildung: FGK, Quelle: DIN EN 16798-1, nationaler Anhang
Klassifizierung von Gebäuden nach DIN EN 16798-1.

Die in der DIN EN 16798 definierten Kategorien gelten auch für den NA. Als Basis für das Planen und Auslegen wird für Räume im Neubau und in sanierten Bestandsgebäuden die Kategorie II empfohlen. Sie ist anzuwenden, wenn nichts anderes festgelegt wurde. Um die Auslegungs-Außenluftvolumenströme für NWG zu ermitteln, kommt entweder das Verfahren auf Grundlage der wahrgenommenen Luftqualität oder das Verfahren unter Anwendung von Grenzwerten der Stoffkonzentration zum Einsatz.

Neben der Grenzwertbestimmung nach den Kategorien (siehe Tabelle) ist in Deutschland auch zum Beispiel die Arbeitsstättenverordnung zu beachten, die wiederum auf die technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) verweist. Sie besagt, dass eine CO2-Konzentration in der Raumluft von 1.000 ppm nicht überschritten werden darf. Bei höheren Werten sind Maßnahmen zum Reduzieren zu ergreifen.

Ist Kategorie II als Standard gewählt, werden in den meisten Fällen auch die Grenzwerte der ASR eingehalten. Grundlage der Vorgaben für die maximalen Werte einer Kategorie bildet eine instationäre Stoffbilanz für den CO2-Gehalt in der Raumluft auf Basis der menschlichen Emissionen.

Die Tabelle der Grenzwerte für den äquivalenten Dauerschallpegel unterscheidet sich im NA an einigen Stellen von den Werten, die im Hauptteil der DIN EN 16798-1 stehen. Hintergrund ist das Angleichen an die VDI 2081. Die Werte der Kategorie II im NA entsprechen den VDI-Standardwerten. Ergänzend ist die DIN 4109-1 einzuhalten. Sie ist bauaufsichtlich eingeführt und damit verbindlich. Die Werte der Kategorie II entsprechen, soweit sie im Anwendungsbereich liegen, denen der DIN 4109-1.

Zulässige mittlere Luftgeschwindigkeiten in der Aufenthaltszone (DR = 15 %).
Quelle: Abbildung: FGK, Quelle: DIN EN 16798-1, nationaler Anhang
Zulässige mittlere Luftgeschwindigkeiten in der Aufenthaltszone (DR = 15 %).

Im Bereich der thermischen Behaglichkeit weicht der NA aufgrund von Erfahrungswerten ab. Kategorie II des Hauptblatts definiert ein Zugluftrisiko („Draft Risk“, DR) von 20 Prozent. In Deutschland wurden in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit einem Zugluftrisiko von 15 Prozent gemacht, deshalb wurde die Kategorie II auf 15 Prozent DR festgelegt. Bild 1 zeigt die daraus resultierenden zulässigen Raumluftgeschwindigkeiten in Abhängigkeit vom Turbulenzgrad.

Komfortraumtemperatur (gestrichelte Linie) mit dem zugelassenen Toleranzbereich für die Raumtemperatur (durchgezogene Linie).
Quelle: Abbildung: FGK, Quelle: DIN EN 16798-1, nationaler Anhang
Komfortraumtemperatur (gestrichelte Linie) mit dem zugelassenen Toleranzbereich für die Raumtemperatur (durchgezogene Linie).

Die in Bild 2 angegeben Auslegungswerte für die Komfortraumtemperatur sind im Vergleich zur europäischen Norm ebenfalls enger gefasst und entsprechen den bisherigen Festlegungen (DIN EN 15251-NA). Eine Unterscheidung zwischen Systemen mit und ohne maschinelle Kühlung gibt es nicht. Die Berechnungshinweise für die zulässigen Überschreitungshäufigkeiten wurden konkretisiert.

Auf Grundlage der aktuellen Fassung der EPBD wird die EN 16798-1 nun überarbeitet. Ziel ist ein Normenwerk zu schaffen, das insbesondere Regeln für das Umsetzen des Artikels 11a der EPBD spezifiziert und diese für die Anwendung konkretisiert, sodass den Nutzern zielführende und einfache Informationen zur Verfügung stehen.

Schon während der Bearbeitung der DIN EN 16798-1 hatte sich abgezeichnet, dass die vier Gewerke Heizung, Lüftung, Licht und Akustik unterschiedliche Zielrichtungen verfolgten, was zu Spannungen geführt hat. Deshalb wurde entschieden, die Norm zukünftig in unterschiedlichen Bearbeitungskreisen weiterzuentwickeln und Teil-Normen zu erstellen. Bild 3 zeigt die zukünftig zu erwartende Struktur. Die Arbeiten dazu haben im Mai 2023 begonnen und sollen zur Einführung der Neufassung der EPBD abgeschlossen sein.

Avisierte Struktur der DIN EN 16798-1 (zukünftige Überarbeitung).
Quelle: FGK
Avisierte Struktur der DIN EN 16798-1 (zukünftige Überarbeitung).

Zusammenfassung

Um die Anforderungen der EPBD zu erfüllen, steht nach Sichtweise des EU-Parlaments mit der DIN EN 16798-1 die Grundlage für eine Bewertungsmethodik zur Verfügung. Es bleibt abzuwarten, welche Ansichten die Mitgliedsstaaten einbringen und was davon tatsächlich im Trilog übrigbleibt. In der Vergangenheit wurden so schon mehrfach weitergehende Anforderungen an die Innenraumkonditionen eingeschränkt oder verhindert. Für eine ganzheitliche Gebäudebewertung und die notwendigen Nutzerinformationen wäre wichtig, hier klare Rahmenbedingungen für energieeffiziente, behagliche und gesunde Gebäude zu schaffen.

Claus Händel Geschäftsführer Technik Dr.-Ing. Claudia Kandzia Technische Referentin Fachverband Gebäude-Klima e.V. 71636 Ludwigsburg info@fgk.de

Literatur

[1] https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de

[2] „Fit für 55“, https://www.consilium.europa.eu/de/policies/green-deal/fit-for-55-the-eu-plan-for-a-green-transition

[3] Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, https://energy.ec.europa.eu/topics/energy-efficiency/energy-efficient-buildings/energy-performance-buildings-directive_de?etrans=de

[4] Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2023-0068_DE.html

[5] DIN EN 16798-1: Energetische Bewertung von Gebäuden – Lüftung von Gebäuden – Teil 1: Eingangsparameter für das Innenraumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden bezüglich Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik; Deutsche Fassung EN 16798-1:2019

[6] DIN EN 15251: Eingangsparameter für das Raumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden – Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik; Deutsche Fassung EN 15251:2007

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