Eine hinreichende Prognose der saisonalen Heiz- und Kühlarbeit liefert die thermische Gebäude- und Anlagensimulation. Das numerische Modell der instationären Kühllastberechnung und Auslegung gemäß VDI 2078 [4] bietet die Möglichkeit, den mittleren Wärme- und Kältebedarf einer Heiz- und Kühlzone zu ermitteln. In Abbildung 4 sind die dabei wesentlichen Berechnungsgrößen dargestellt.
Die dynamische Gebäude- und Anlagensimulation setzt die Wechselwirkungen zwischen Gebäude, Anlagen- und Regelungstechnik, Außenklima (Klimadatensatz für den jeweiligen Standort) und dem Nutzer in Beziehung. Deshalb ist sie für die Praxis genauer und kann zum Beispiel von einer statischen Kühllast-Ermittlung beträchtlich abweichen. Mit einer dynamischen Gebäude- und Anlagensimulation lassen sich wichtige Informationen zur Performance des Heiz- und Kühlsystems und dessen Wirtschaftlichkeit bereits in frühen Planungsphasen generieren. Besonders aussagekräftig sind die Daten zu Übertemperaturgradstunden mit und ohne Kühlsystem sowie die für das Heizen und Kühlen erforderliche elektrische Arbeit.
Ein spezieller Aspekt ist zu berücksichtigen, wenn für den Heiz- und Kühlbetrieb dasselbe Verteil- und Übergabesystem dienen soll, denn hier muss eine zentrale Umschaltung das System in den jeweiligen Betrieb versetzen. Achtung: Eine Fußbodenheizung kann im gesamten Gebäude erst dann zum Kühlen eingesetzt werden, wenn es niemand mehr zum Heizen benötigt. Je nach Ausrichtung und Auftreten innerer thermischer Lasten kann unter Umständen ein Konflikt zwischen dem verschatteten Nordbereich im Erdgeschoss und exponierten Süd-Westräumlichkeiten im Dachgeschoss auftreten. Hier bietet eine dynamische Simulation deutlich höhere Planungssicherheit als eine stationäre Auslegung, indem realitätsnahe Wetter- und Nutzungsszenarien in der Übergangszeit dargestellt werden und klare Vorgaben für die Parametrierung der Anlagenregelung gemacht werden können.
Eine dynamische Simulation kann auch bei Glasfassaden dazu beitragen, das Raumklima durch passive Maßnahmen zu optimieren. Materialien, Glasqualität, Flächenanteile, Verschattungssysteme sind Faktoren, die unter Berücksichtigung von Gebäudeausrichtung, Geometrie, Nutzung und zeitlicher Varianz aufeinander abzustimmen sind. Durch die Nutzung thermischer Speichermassen lassen sich Kühllasten im Sommer reduzieren, wenn das Bauwerk nachts mit Außenluft durchspült wird.
Fazit
Der Wunsch nach Klimaresilienz rückt auch im Wohnungsbau den Fokus auf das sommerliche thermische Verhalten und die Möglichkeit, bei heißer werdenden Sommern einen komfortablen Betrieb zu gewährleisten.
Flächenheiz- und -kühlsysteme mit Anschluss an die oberflächennahe Geothermie bieten „Kühlenergie zum Nulltarif“, ohne den aktiven Betrieb der Wärmepumpe.
Heizen und Kühlen ohne doppeltes Verteilrohrnetz erfordert ein genaues Verständnis um das thermische Verhalten eines Gebäudes in der Übergangszeit. Dazu trägt eine dynamische Gebäude- und Anlagensimulation bei.
Darüber hinaus kann die Simulation Potentiale für das netzdienliche Lastmanagement im Gebäude offenlegen. Beim „Smart-Grid-Ready-Status“ geht es um die Fähigkeit eines Gebäudes und seiner Anlagentechnik, Energie nach der jeweils im Netz vorhandenen erneuerbaren Strommenge zu verbrauchen. Auch so wird es möglich, ganzjährig mehr fossile Energie durch erneuerbare zu ersetzen.
Welche Komponenten für ein raumklimatisch angenehmes und umweltfreundliches Gebäude einen Mehrwert bringen, lässt sich nur individuell beantworten. Für ein nachhaltiges Planen, Bauen und Betreiben gilt aber grundsätzlich: So viel wie nötig mit so wenig wie möglich.
Dr.-Ing. Klaus Mindrup Geschäftsführender Gesellschafter bauart TGA GmbH & Co. KG 48167 Münster
Weitere Informationen zum Projekt (Abbildung 1) unter: www.polychrom-projekt1.de