Gebäudeklima

Coole Sache – wenig Aufwand

Kühlen mit Wärmepumpen im Quartier.

Sonntag, 05.03.2023

Ob Einfamilienhaus, Gewerbe- und Industriebau oder Stadtquartier – kaum ein Neubau- oder Sanierungsprojekt, das heute ohne Wärmepumpe auskommt. Dabei sorgen ausgeklügelte Konzepte und Steuerungssysteme für größtmögliche Energieeffizienz. Die Kühlfunktion einer Wärmepumpe wird dabei zusehends zum Standard. Potential für nachhaltige Lösungen steckt auch in einer professionellen kommunalen Wärmeplanung. Wie das alles gelingen kann, zeigt dieser Beitrag.

Schemazeichnung
Quelle: alpha innotec
Schema der zu realisierenden Versorgungslösungen in einem Quartier.

Eine intelligente Steuerung der Energieflüsse kann zwischen 30 und 40 Prozent mehr Effizienz bringen; das Einsparpotential ist also immens“, ist sich Klaus Nagl sicher. Er ist Gründer und Geschäftsführer von Consolinno. Das in Regensburg ansässige Unternehmen ist spezialisiert auf das Entwickeln von Konzepten für die ressourcenschonende Energie- und Wärmeversorgung im lokalen Umfeld. Dass dieser Bereich nachhaltige Lösungen bieten kann, ist inzwischen angekommen. So schreiben die Bundesländer Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein schon seit einiger Zeit in Kommunen ab 20.000 Einwohner eine professionelle kommunale Wärmeplanung vor. Ihrem Beispiel folgt der Koalitionsausschuss der Bundesregierung: In seiner Sitzung am 23. März 2022 beschloss er, eine solche Wärmeplanung in absehbarer Zeit bundesweit verpflichtend zu machen.

Seit gut drei Jahren arbeitet Consolinno eng mit dem Wärmepumpenhersteller Alpha Innotec zusammen, weil die technologische Basis für die Wärmewende und der darauf abzielenden Konzepte die Wärmepumpe ist. Ihre Energieeffizienz als „Stand-alone-Gerät“ lässt sich nur noch in geringem Maße steigern – anders hingegen in abgestimmten Gesamtsystemen mit Photovoltaik (PV), elektrischen und thermischen Pufferspeichern, Primärenergiequellen (wie Luft, Brunnen, Abwärme oder Geothermie), mit Blockheizkraftwerken und vielem mehr. Je besser die Einzelkomponenten in solch komplexen Systemen ineinandergreifen und je intelligenter die Energieflüsse gesteuert werden, desto größer ist der Effizienzgewinn, der sich daraus erzielen lässt.

Stadtquartier Bauzeichnung
Quelle: ALKIS Land NRW 2020, Lizenz dl-de, by-2-0
Stadtquartier als Ziel: In zwei Bauabschnitten wird das Wohngebiet „Neuer Soester Norden“ entwickelt. Eine Innovation ist dabei die Art der ressourcenschonenden Energie- und Wärmeversorgung im lokalen Umfeld.
Quelle: NRW.Urban
Aktueller Stand des ersten Bauabschnitts.

Innovatives Konzept in Soest

Ein Beispiel für solch ein neues Konzept stellt das Baugebiet „Neuer Soester Norden“ dar. Hier, auf halbem Weg zwischen Dortmund und Paderborn, entstehen derzeit in zwei Bauabschnitten rund 600 Wohneinheiten. Die Ein- und Mehrfamilienhäuser sind jeweils mit Wärmepumpen von Alpha Innotec ausgestattet. Ihre Primärenergie beziehen sie aus drei Erdkollektorfeldern: eins mit rund 23.000 m2 Fläche und zwei kleinere mit etwa 6.000 beziehungsweise 3.000 m2. Eine Innovation steckt in diesen kleineren Feldern: Dort wurden zwei übereinanderliegende Kollektorschleifen gelegt – die eine in etwa 2,50 m Tiefe, die andere in ungefähr 1,20 m Tiefe. „Auf diese Weise verdoppeln wir die Kollektorfläche pro m2 und gewinnen logischerweise deutlich mehr Primärenergie“, erklärt Vladimir Tsintsiper. Er ist Spezialist für Quartierlösungen bei Alpha Innotec und gehört dem dortigen Energiekonzepte-Team an. Gemeinsam mit Consolinno haben Tsintsiper und sein Team das Versorgungskonzept für den neuen Soester Stadtteil erarbeitet. Das umfasst auch das komplette Monitoring- und Steuersystem von Consolinno.

Die aus den Erdkollektoren gewonnene Primärenergie gelangt über ein kaltes Nahwärmenetz zu den dezentral installierten Wärmepumpen. Das Temperaturniveau der Sole liegt ganzjährig stabil zwischen 8 und 12 °C. Das hat einen wesentlichen Vorteil: Aufgrund des vergleichsweise niedrigen Temperaturniveaus entstehen, anders als bei einem warmen Wärmenetz, praktisch keine Verteilverluste. Denn die als kaltes Nahwärmenetz im Erdreich verlegten ungedämmten PE-Rohre dienen selbst zum Teil als Wärmequelle, indem sie Wärme aus dem Untergrund aufnehmen. So lassen sich bis zu 20 Prozent der gesamten Wärmequellenleistung allein darüber abdecken.

Während bei kleineren lokalen Netzen in der Regel die Umwälzpumpen der angeschlossenen Wärmepumpen den Energiefluss in Gang halten, setzt das Konzept hier auf ein aktives Netz. Vladimir Tsintsiper: „Wir haben in der Energiezentrale mehrere große Solepumpen installiert. Dadurch können wir bei den Wärmepumpen auf die Umwälzpumpen verzichten.“ Die Heiz- und Kühltechnik im neuen Soester Quartier ist darauf ausgerichtet, künftig einen Großteil ihres Strombedarfs über PV zu decken.

Erdkollektorfeld
Quelle: Stadtwerke Soest
Erdkollektorfeld mit rund 3.000 m2 Fläche. Dort wurden zwei übereinanderliegende Kollektorschleifen gelegt. Es ist eines von insgesamt drei Kollektorfeldern zum Gewinnen von Primärenergie.

Kühlfunktion inklusive

Das kalte Nahwärmenetz und Erdwärme als Primärenergiequelle eignen sich dafür, die passive Kühlfunktion der Wärmepumpen zu nutzen. Dabei wird die Wärme aus den Häusern in die Erdkollektoren abgeführt. Gleichzeitig speist das kalte Nahwärmenetz die kühle Sole in die Flächenheizsysteme der Wohnungen ein. Die Wärmepumpe wird in diesem Fall umgangen. Aktiv sind nur die Umwälzpumpen in der Energiezentrale, die den Sole- und Wasserkreislauf in Gang halten.

Der damit erzielte Kühleffekt ist eher sanft und nicht annähernd so stark wie mit einer gängigen Klimaanlage. Fachleute sprechen daher von einer „Temperierung“ oder einem „Ankühlen“. Es kann an heißen Sommertagen schon für angenehme Temperaturniveaus in den Räumen sorgen. Zusätzlich effizienzsteigernd ist ein Nebeneffekt: Die Wärme, die im Sommer dem Erdreich zugeführt wird, bleibt dort über Monate hinweg mit relativ geringen Verlusten erhalten. Es bilden sich Zonen mit leicht erhöhter Temperatur – genau dort, wo die Wärme ab Herbst wieder zum Heizen genutzt wird.

Das kann gegen Ende der heißen Jahreszeit den Wirkungsgrad der passiven Kühlung eventuell ein wenig mindern. Dafür liefern die Kollektoren zumindest zu Beginn der Heizperiode mehr Wärmeenergie. Wie stark und wie nachhaltig dieser Eintrag ist, hängt von der Beschaffenheit des Erdreichs und von eventuellen Strömungen des Grundwassers ab.

Passives Kühlen ist Standard

Angesichts dieser simplen und energiesparenden Lösung ist es wenig überraschend, dass die passive Kühlung in solchen Konstellationen inzwischen zum Standard gehört, wie Klaus Nagl und Vladimir Tsintsiper übereinstimmend erklären. „Wir bekommen damit den Kühleffekt fast zum Nulltarif.“

Inzwischen gibt es immer mehr Stadtquartiere, deren Planer statt Geothermie Abwärme, etwa aus Industriebetrieben, Bergwerken oder Abwasserkanälen nutzen. Auch dabei ist die passive Kühlung über das kalte Netz möglich. Ganz im Sinne des Koalitionsausschusses. Laut Protokoll vom März 2022 wolle man unter anderem „dafür sorgen, dass Abwärme schnell und unkompliziert in die Fernwärme integriert werden kann.“

Erdwärmepumpe
Quelle: alpha innotec
Wärmepumpe: Die aus den Erdkollektoren gewonnene Energie gelangt über ein kaltes Nahwärmenetz zu diesen dezentral in den Wohnhäusern installierten Geräten. Wenn diese später einmal ausgetauscht werden müssen, nimmt Alpha Innotec die Wärmepumpen samt Zubehör und Speicher zurück, lässt sie professionell entsorgen und recycelt Rohstoffe.

Aktives Kühlen kommt

Zugleich gewinnt das sogenannte aktive Kühlen mit Sole-Wasser- und reversiblen Luft-Wasser-Wärmepumpen an Bedeutung. Weil die Sommer auch in unseren Breiten immer heißer werden, verzeichnet etwa Alpha Innotec eine seit Jahren kontinuierlich steigende Nachfrage nach den klimaschonenden Heiz-/Kühlsystemen. Dabei wird der Kreislauf einfach umgekehrt. Bei Sole-Wasser-Lösungen dient das Wärmeverteilsystem in den Häusern – Fußbodenheizung und/oder Kühldecken – durch Umschalten des Hydrauliksystems als Wärmequelle. Wärmesenke sind in diesem Fall die Erdsonden-Bohrungen oder Erdkollektoren, in die die gewonnene Wärme eingeleitet wird.

Aktives Kühlen mit Luft-Wasser-Wärmepumpen wird vorwiegend realisiert, wenn Erdwärme oder Abwärme als Primärenergie nicht zur Verfügung steht. Das ist häufig bei kleineren Projekten wie Ein- oder Mehrfamilienhäusern oder Gewerbe-Immobilien der Fall, wenn Geothermie dort zu aufwändig oder aus geologischen oder wasserrechtlichen Gründen nicht nutzbar ist.

In diesem Zusammenhang wichtig: Wandheizkörper, wie sie in vielen Bestandsgebäuden üblich sind, eignen sich nicht für das Kühlen von Räumen. Ihre Fläche ist zu klein, um damit effizient zu kühlen ohne den Taupunkt zu unterschreiten. Das ist die Temperatur, bei der die Luftfeuchtigkeit kondensiert. Das ist bei Kühlsystemen unbedingt zu vermeiden, um Schäden, etwa durch Korrosion oder Schimmelbildung, zu verhindern.

Soll eine Wärmepumpe auch zum Kühlen genutzt werden, ist daher eine Fußboden- oder Wandheizung das optimale Verteilsystem. Auch Gebläsekonvektoren oder Kühldecken eignen sich zur Kühlung mit einer Wärmepumpe. Und manche Planer setzen heute vor allem in industriell oder gewerblich genutzten Gebäuden gerne auf die sogenannte Betonkerntemperierung. Dabei wird die kühle Flüssigkeit in den Betonkern von Wänden, Decken oder Böden eingebracht.

Schema: Kaltes Nahwärmenetz mit „HEMS – Home Energy Management System“ und Cloud.
Quelle: Consolinno Energy GmbH
Kaltes Nahwärmenetz mit „HEMS – Home Energy Management System“ und Cloud. Das HEMS soll den vor Ort erzeugten Strom intelligent auf die verschiedenen Verbraucher verteilen. Es hilft so, den Eigenverbrauch zu maximieren.

Intelligente Steuerung steigert Effizienz

Ob es um Heizen, Kühlen oder die Stromversorgung geht – immer ist eine intelligente Steuerung der Energieflüsse in der Lage, die Effizienz des Gesamtsystems signifikant zu steigern. „Bei Geothermie etwa muss bei der Planung und im laufenden Betrieb darauf geachtet werden, wie viel Wärme ich dem Boden entnehmen oder wie viel ich im Sommer zuführen darf“, erklärt Consolinno-Chef Klaus Nagl. „Das System muss je nach Situation steuern können, wann die angeschlossenen Wärmepumpen arbeiten, und ob es sinnvoll ist, alle zeitgleich oder versetzt einzuschalten.“ Entscheidend sei dabei die intelligente Kopplung der Sektoren Strom und Wärme. „Wenn beispielsweise viel Strom von einer PV-Anlage kommt oder wenn er aus dem öffentlichen Netz gerade billig ist, Stichwort dynamische Stromtarife, dann sollten die Wärmepumpen laufen, um Wärme oder – je nach Bedarf – Kälte zu erzeugen.“ Für diesen Fall sollten die Pufferspeicher optimal dimensioniert sein, um ausreichend Kälte, Wärme oder Strom aufnehmen zu können.

Die Steuerung legt wiederum fest, welche Verbraucher wie eingebunden sind und versorgt werden: von der „Wall-box“ für das E-Mobil über die Wärmepumpe bis zur Waschmaschine. Dazu müssen die einzelnen Elemente im Gesamtsystem mit Sensoren ausgestattet sein, die den jeweiligen Status abgreifen und der Steuersoftware zur Verfügung stellen. Sie regelt dann die Funktion der einzelnen Komponenten über Aktoren. Im Falle der Energieversorgungs-Systeme, die Consolinno und Alpha Innotec konzipieren, soll dabei immer ein harmonischer Gesamtklang entstehen: Das ganze System arbeitet reibungslos, verbraucht wenig Energie und bringt zugleich den größtmöglichen Ertrag.

[Herbert Grab Journalist Geschäftsführer digit media 72770 Reutlingen herbert.grab@digitmedia-online.de]

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