Mehr als thermischer Komfort

Sanieren als Faktor für Gesundheit und Effizienz

Damit Lüftungs- und Klimaanlagen in puncto Hygiene, Energie, Kosten und Brandschutz ordnungsgemäß betrieben werden können, müssen die Systeme regelmäßig gereinigt, überprüft und gewartet oder de- und neu montiert werden. Die wirtschaftlich sinnvolle Lösung stellt bei einem Großteil der Objekte eine Sanierung dar. Dass diese zugleich weitere Vorteile mit sich bringt, zeigen Beispiele aus der Praxis.

Während Lüftungs- und Klimaanlagen in der Regel ordnungsgemäß geplant, installiert und in Betrieb genommen werden, werden deren systematische Reinigung, Wartung und Instandhaltung häufig vernachlässigt – obwohl zum Beispiel die DIN EN 15780, VDI 6022-1, VO (EU) 517-2014, VDMA 24186-1, die Arbeitsstätten- und die Betriebssicherheitsverordnung anderes fordern. Negative Folgen davon sind Keime, Pilze, Schadstoffe und Viren, die sich im Betrieb innerhalb kurzer Zeit auf den Oberflächen der Luftleitungssysteme ansammeln können. Strömt saubere Frischluft darüber, können sich Verunreinigungen und Staub lösen und in Innenräume eindringen. Dies führt zu hygienischen sowie gesundheitlichen Problemen. Zudem bedeutet es einen höheren Reibungswiderstand, eine stärkere Brandgefahr (insbesondere bei Küchen und fettbelasteter Abluft), eine geringere Energieeffizienz, höhere Betriebskosten sowie einen unnötigen Druckabfall. Letzterer bedingt eine verminderte Luftwechselrate mit der Folge eines schlechteren Raumklimas: Bereits zehn Prozent weniger Luftwechsel reichen aus, um ein gesundes Raumklima in ein schlechtes zu verwandeln.

Entscheidungsgrundlage: Prüfen und Bewerten

Geht es um die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustands von Luftleitungssystemen, stehen generell Sanierung, Retrofitting oder eine Demontage und Neuinstallation zur Auswahl. Für die Entscheidung, welche Option jeweils die beste ist, sollte vor der Durchführung von Maßnahmen der technische Zustand und der Nutzungsbedarf systematisch festgestellt, bewertet und dokumentiert werden. Diese Inspektion umfasst dabei die

▪ Zustandsprüfung (wie Oberflächen- und Abnutzungszustand, Energieeffizienz, Zugänglichkeit, Alter von Ventilatoren, des Gerätes für die Raumlufttechik (RLT) und Luftleitungen), ▪ Funktionsprüfung und ▪ technische Prüfung in Form von Funktionsmessungen, wie zum Beispiel der Dichtheitsprüfung von Luftleitungssystemen.

Die Basis der Inspektion sollte – sofern vorhanden – eine Revisionsdokumentation als Biografie der RLT-Bestandsanlage sein. Anhand der resultierenden Bewertung sind dann empfehlenswerte Maßnahmen abzuleiten.

Wegweiser: Wirtschaftlichkeit

Lässt sich die Zustands- und Funktionsprüfung bei Wärmetauschern oder Ventilatoren aufgrund eindeutig definierter Systemgrenzen sowie einer meist guten Zugänglichkeit relativ einfach, teilweise auch mittels Sichtkontrolle, durchführen, ist dies bei oftmals weitverzweigten und schlecht bis nicht zugänglichen Luftleitungssystemen deutlich schwieriger und aufwändiger. So sind hier beispielsweise die Abnutzung der Oberflächen, Dichtungen, Vorlegebänder, der Zustand der Oberflächen in puncto Fettablagerungen und die verbleibende rechnerische Nutzungs- und Lebensdauer zu untersuchen. Diese ist in der VDI 2067 Blatt 1 (2) für Luftführungen und -kanäle mit 30 Jahren angegeben. Stellt sich bei den Prüfungen heraus, dass die Dimensionen, der Zustand und die rechnerische Lebensdauer ausreichend gut sind (sehr häufig der Fall), empfiehlt sich eine Sanierung oder ein Retrofit. Die Gründe sind im Vergleich zu einer Neuinstallation vielfach Kosten- und Zeiteinsparungen, wie eine vereinfachte Aufwands- und Kostenabschätzung zeigt. Ein weiterer Grund ist eine signifikante Verbesserung der Energieeffizienz, was nicht nur im Hinblick auf einen klimaneutralen Gebäudebestand bedeutsam ist, sondern auch zu geringeren Stromkosten und zu bezahlenden CO!SUB(2)SUB!-Äquivalenten beiträgt.

Dichte Systeme: Bessere Wirkung

Auf Basis eines Luftleitungssystems mit rund 1.000 m2 (dies entspricht meist rund 300 bis 400 lfm), betragen die Kosten einer Neuinstallation (bei einer vereinfachten Berechnung) alleine für Personal und Material mindestens 70.000 Euro. Hinzu kommen in der Praxis noch Kosten für Entsorgung, Transport, Logistik, Zwischendecken, Wanddurchbrüche und Einregulierung. Gut 80 bis 90 Prozent günstiger kommt hingegen eine Sanierung oder Instandsetzung des Luftleitungssystems, bei der die Abdichtung des gesamten Luftleitungssystems ein wichtiger Arbeitsschritt ist.

Wird hierfür das – zum Beispiel vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) im Rahmen der „Bundesförderung für effiziente Gebäude – Einzelmaßnahmen (BEG EM)“ unterstützte – Aeroseal®-Verfahren eingesetzt, ist gemäß DIN EN 16798-3 Dichtheitsklasse ATC 3 bis 1 (vormals C, D oder besser und eine Leckagerate von weniger als 0,67 Prozent) kein Problem. Bei einer Neuinstallation sind Undichtigkeiten hingegen verfahrensbedingt unvermeidbar und aufgrund einer bisher meist fehlenden Abdichtung des gesamten Luftleitungssystems können die Leckageraten in der Praxis bei 15 Prozent und mehr liegen. Die Folgen sind hohe Verluste und Betriebskosten der Anlage. Unnötig, wie Beispiele aus der Praxis beweisen.

Drei Praxisbeispiele: Nichtwohngebäude

Bei der EBEWE Pharma in Österreich konnte mit dem Aeroseal®-Verfahren innerhalb von drei Tagen – inklusive Auf- und Abbau – die enorme Leckagemenge von 103 l/s (die trotz einer dampfdichten Isolierung der Leitungen vorhanden war) um 97,5 Prozent auf 2,5 l/s reduziert werden. Da die Lüftungsanlage im Produktionsbereich mit Schwebstofffiltern ausgestattet ist und damit hohe Anlagendrücke erfordert, liegen die erwarteten Energieeinsparungen durch die Abdichtung (auf die Dichtheitsklasse ATC 2 und besser) und die dadurch erheblich verbesserte Energieeffizienz bei etwa 27.000 kWh pro Jahr (Strom-, Heiz- und Kühlenergie). Dies bedeutet eine Amortisationszeit von zwei bis drei Jahren. Eine Demontage und Neuinstallation wären einem Stillstand und Ausfall der Produktion von mindestens zwei bis drei Monaten mit wirtschaftlich untragbaren Umsatzeinbußen im mehrstelligen Millionenbereich gleichgekommen.

In einem Großprojekt für die auf Pharma- und Kosmetik-produkte spezialisierte Dr. Wolff Group konnten mit Hilfe des Aeroseal®-Verfahrens die Verluste des Luftleitungssystems im gesamten Werksgelände inklusive der dazugehörenden Bürogebäude am Standort Bielefeld um bis zu 93 Prozent reduziert werden.

Es galt, eine im Obergeschoss befindliche Produktionsfläche lufttechnisch zu versorgen. Abhängig von der Menge der im Produktionsbereich anfallenden Wärme wird über Lüftungs- und RLT-Anlagen nach Bedarf geheizt oder gekühlt. Anteilig wird Frischluft für die Mitarbeitenden zugeführt. Vor der Abdichtung der Anlagen, die im 24-Stunden-Betrieb liefen, ergab die Druckprüfung vorhandene, zuerst jedoch nicht lokalisierbare Leckagemengen. So zeigten die RLT-Anlagen ein erhebliches Energieeinsparpotential. Um dieses zu nutzen, wurden je drei zentrale und dezentrale Anlagen in den Bereichen Hochregallager, Produktion und Büro abgedichtet. Das Hauptaugenmerk bei den vier über zwei Etagen verlaufenden Produktionsräumen mit je etwa 1.500 m2 galt unter anderem der zuverlässigen Absaugung von Stäuben sowie alkoholhaltigen Dämpfen. Neben einer Verbesserung der Energieeffizienz sollte dadurch der Schutz der Mitarbeitenden weiter verbessert, eine Fortsetzung der Einhaltung der Arbeitsstättenrichtlinie gewährt und die Explosionsgefahr minimiert werden. Die Abdichtung der dezentralen Anlagen erfolgte für vier Büroräume und eine Kantine. Bei den zentralen Anlagen wurden pro Etage rund 16 Stränge Zu- und Abluft einzeln abgedichtet.

Zusätzlich wurde der riemengetriebene Zu- und Abluftmotor durch je zwei „Fan Walls“ mit neun Motoren ersetzt – ein Designansatz, bei dem ein einzelnes großes Teil durch eine Reihe kleinerer ersetzt wird. Das Ergebnis ist unter anderem eine verbesserte Zuverlässigkeit, weil der Ausfall eines Elements nicht den Stillstand der Anlage bedeutet. Weitere Vorteile sind eine klare Verbrauchsreduktion und eine gesteigerte Energieeffizienz: Im Bereich des Hochregallagers von 505 MW/h auf etwa 221 MW/h, im Produktionsbereich von 550 MW/h auf etwa 284 MW/h. Somit werden die Unterhaltungskosten beim Hochregellager um rund 54.000 Euro pro Jahr verringert. In Kombination mit den minimalen Betriebsunterbrechungen liegt die Amortisationszeit für das ganze Projekt – ohne Berücksichtigung der Kühl- und Heizenergie – bei etwa 1,2 Jahren. Ein Projekt, das so überzeugend war, dass bereits weitere Abdichtungsprojekte in anderen Unternehmenseinheiten am Standort Bielefeld erfolgreich umgesetzt wurden.

Auch bei einem Unternehmen aus der Branche Heizung-Lüftung-Klima wurde zur Verbesserung der Energieeffizienz einer bestehenden RLT-Anlage ein Betonluftkanal und ein Luftleitungsteilsystem mit dem Aeroseal®-Verfahren abgedichtet. Die bidirektionale ventilatorgestützte Lüftungsanlage, errichtet 2021, verfügt über je eine Filterstufe (Zu- und Abluft), regenerative Wärmerückgewinnung mit Rotationswärmeübertrager und Heizwärmeübertrager, je zwei Ventilatorsystemen (Zu- und Abluft) in Parallelschaltung. Sie kann einen Luftvolumenstrom von maximal knapp 60.000 m3 bewegen. Mit dem Aeroseal®-Verfahren wurden hier die Leckagen im Schnitt um etwa 87 Prozent reduziert. Dies führte zu Dichtheitsklassen ATC 3 und 2. Die mit Hilfe einer Simulation errechnete Betriebskosteneinsparung liegt durchschnittlich zwischen 5.150 Euro (ausgehend von Dichtheitsklasse ATC 5) beziehungsweise 13.905 Euro (ausgehend von ATC 6), was eine Amortisationszeit zwischen 0,5 und 3,3 Jahren bedeutet.

Dabei ist die Amortisationszeit durch die beseitigten Leckagen im Luftleitungssystem und die dadurch reduzierten Energiekosten eine Funktion der technischen und thermodynamischen Luftaufbereitung (zum Beispiel Filterstufen und Partikelabscheideleistung der Luftfilter), der Funktionen Heizen, Kühlen, Be- und Entfeuchten sowie des Anlagenbetriebs (Voll- oder Teillast). Im vorliegenden Fall wird die Lüftungsanlage mit einer einstufigen Filterung der Zuluft und Abluft, einem regenerativen Wärmerückgewinnungssystem (WRG System) sowie einer thermodynamischen Funktion (Heizen) standardmäßig im Teillastbetrieb mit etwa 30 Prozent der maximal möglichen Luftförderleistung des RLT-Systems gefahren. Bei der Simulation – insbesondere für die Energiekosten in der Heizperiode – wurden ortsbezogene statistische Wetterdaten am Anlagenstandort berücksichtigt. Gründe der verbesserten Energieeffizienz sind die reduzierten Leckagen sowie ein regeneratives WRG-System in Verbindung mit energiesparenden Ventilatorsystemen. Seine Effizienz ist auch bei extremem Teillastbetrieb gut. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Luft ausschließlich erwärmt, weder gekühlt noch be- oder entfeuchtet, wird.

Fazit: Sanieren bietet viele Vorzüge

Mit vergleichsweise geringem Aufwand konnte in allen drei Fällen – und in zahlreichen anderen in unterschiedlichsten Bereichen – mit dichten Luftleitungssystemen eine hohe Energieeffizienz erzielt werden. Diese bedeutet einen wichtigen Schritt in Richtung eines klimaneutralen Gebäudebestands und sollte damit zum Standard werden. Die Abdichtung mit dem Aeroseal®-Verfahren ist zudem eine wesentliche Basis für einen nachhaltig wirtschaftlichen Betrieb von Lüftungs- und Klimaanlagen, mit dem geringe Kosten und kurze Amortisationszeiten einhergehen. Allgemein gesprochen gilt als Grundsatz für ein nachhaltiges Planen, Bauen und Betreiben: Bei jedem Projekt individuell mit so wenigen Eingriffen wie möglich, so viele (Effizienz)Effekte wie möglich zu erzielen.

Jörg Mez (Co-Autor) Geschäftsführer Mez-Technik GmbH 72770 Reutlingen

Dr. Tina Weinberger Die Text-Ingenieurin 94253 Bischofsmais

Aeroseal®-Verfahren

Es dichtet neue und bestehende Luftleitungssysteme von innen heraus ab – ohne dass die Leckagen vorher gesucht werden müssen. Stattdessen wird ein mit Hilfe von Druck und Temperatur in kleinste Teilchen zerstäubter Dichtstoff, der den Anforderungen der DIN 6022 entspricht, zusammen mit der Luft durch das undichte Luftleitungssystem gefördert. An undichten Stellen sinkt lokal der Druck, wodurch das Luft-Dichtstoff-Gemisch in Richtung der Ritzen, Spalten und Löcher fließt und diese von innen nach außen durchströmt. Dabei lagern sich an den Rändern kleine Mengen des Dichtstoffs ab und Leckagen bis zu einem Durchmesser von 15 mm werden nach und nach dauerhaft verschlossen.

Weiterführende Informationen: https://www.mez-technik.de/

Mittwoch, 11.01.2023