Der Klimawandel in Deutschland und seine Kosten

Vielfältige Handlungsbedarfe

Wir erleben den Klimawandel auch in Deutschland. Hier stieg im Zuge der globalen Erwärmung die jährliche bodennahe Lufttemperatur um etwa 1,6 °C seit 1881 – dem Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Daten werden vom Deutschen Wetterdienst (DWD) bereitgestellt. Laut DWD ist seit den 1970er-Jahren in Deutschland jedes Jahrzehnt wärmer als das vorherige gewesen, wie Abbildung 1 zeigt. Was bedeutet unter anderem diese Entwicklung für unsere Zukunft?

Die Sommer in den Jahren 2003, 2018, 2019 und 2022 waren die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen des DWDs. Die Anzahl „heißer Tage“ mit einer Tageshöchsttemperatur von mehr als 30 °C ist deutlich angestiegen (Abbildung 2) von durchschnittlich vier heißen Tagen pro Jahr im Referenzzeitraum 1961 bis 1990 auf durchschnittlich neun heißen Tagen pro Jahr in 1991 bis 2020. Zudem sind in Deutschland in vielen Regionen Veränderungen der Niederschläge zu beobachten. Starkniederschlagsereignisse haben zugenommen und vielerorts zu Überschwemmungen geführt. Während längere Phasen mit geringen Niederschlägen in Kombination mit höherer Verdunstung aufgrund ansteigender Temperaturen vermehrt Trockenheit und Dürreperioden mit sich brachten.

Klimaprojektionen

Zukünftig ist mit einer weiteren Zunahme der bodennahen Lufttemperatur zu rechnen. Wie stark diese sein werden, hängt von weltweiten Maßnahmen zum Reduzieren von Treibhausgasemissionen ab und davon, ob und wie schnell eine Transformation zur Treibhausgasneutralität gelingt. Ohne Klimaschutz sind bis zum Ende des 21. Jahrhunderts im Vergleich zur Referenzperiode 1971 bis 2000 im deutschlandweiten Durchschnitt weitere Zunahmen der bodennahen Lufttemperatur um 2,7 bis 5,3 °C zu erwarten, während viel Klimaschutz die Zunahmen auf 0,4 °C bis 1,8 °C beschränken könnte [2].

Mit steigender Temperatur werden mehr extreme Wetterereignisse auftreten und zum Teil stärker ausgeprägt sein. So wird die Anzahl heißer Tage besonders stark in den Regionen zunehmen, in denen es bereits heute schon besonders warm ist. Ohne Klimaschutz kann die Anzahl heißer Tage bis zum Ende des 21. Jahrhunderts im Vergleich zur Referenzperiode 1971 bis 2000 zum Beispiel im Landkreis Karlsruhe um 8 bis 70 Tage steigen, mit viel Klimaschutz lässt sich die weitere Zunahme auf 0,4 bis 14 Tage begrenzen [3]. Mit steigenden Temperaturen können neben Hitzeperioden auch vermehrt Trockenheit und Starkregenereignisse auftreten.

(Bisherige) Kosten durch Klimawandelfolgen

Mit den Folgen des Klimawandels sind – zum Beispiel durch Ernteausfälle, Infrastrukturschäden oder steigende Gesundheitskosten – auch ökonomische Konsequenzen in Form von Schadenskosten verbunden [4, 5]. Insbesondere Flusshochwasser und Überschwemmungen durch Starkregen und Sturzfluten waren bislang die kostenträchtigsten Extremwetterereignisse. Dabei waren neben zerstörten Gebäuden und Verkehrsinfrastrukturen auch Unternehmen von überfluteten Produktionshallen oder gestörten Lieferketten betroffen.

Insgesamt entstanden so in Deutschland seit dem Jahr 2000 mehr als 70 Milliarden Euro Schäden [4, 6]. Hervorzuheben sind in diesem Kontext die Überschwemmungen im Ahrtal und an der Erft im Juli 2021, mit mindestens 40 Milliarden Euro Schäden [6]. Ein weiteres bedeutendes Ereignis war auch das Au-gust-Hochwasser im Jahr 2002 mit Schäden von rund 18,5 Milliarden Euro. Hierbei ist zu beachten, dass Schäden stark von den lokalen geografischen und topografischen Gegebenheiten abhängig sind und sie nicht alle monetär bewertbar sind. Es ist also davon auszugehen, dass die tatsächlichen Schadenskosten deutlich höher sein können [4, 5, 6].

Steigende Gesundheitskosten durch mehr Hitzebelastungen

Die negativen Auswirkungen des Anstiegs der Lufttemperatur und entsprechender Hitzebelastungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von Menschen sind klar belegt [7, 8, 9, 10]. Besonders belastend sind Hitzeperioden, in denen mehrere Tage mit hohen Temperaturextremen aufeinanderfolgen. Dabei können vor allem sehr warme Nächte („Tropennächte“) dazu führen, dass sich der Körper nicht mehr richtig regenerieren kann, wodurch das allgemeine Erkrankungsrisiko steigt. Insgesamt führt Hitze nicht nur zu einer sinkenden Arbeitsproduktivität, sondern auch zu weiteren ökonomischen Konsequenzen, wobei sich die entsprechenden Kosten häufig nur langsam entwickeln und oft schwer eindeutig zurechenbar sind.

Zusammengefasst ist jedoch davon auszugehen, dass rund 99 Prozent der mindestens mehr als 30.000 extremwetterbedingten Todesfälle in Deutschland seit dem Jahr 2000 auf Hitzeereignisse zurückzuführen sind [4, 5].

Darüber hinaus können gesundheitliche Betroffenheiten der Mitarbeitenden durch indirekte Folgen des Klimawandels wie erhöhte Feinstaubwerte durch Waldbrände eine verschlechterte Nahrungsmittel- oder Trinkwasserversorgung sowie zunehmende Allergien, die Arbeitsqualität als auch die -quantität negativ beeinflussen. Es werden daher sowohl im privaten Bereich als auch an Arbeitsplätzen und in Unternehmen Schutzmaßnahmen vor hohen Temperaturen und weiteren Extremereignissen zunehmend erforderlich.

Handlungsbedarfe für Unternehmen

Im Rahmen der Anpassung an die Folgen des Klimawandels ergeben sich für Unternehmen also vielfältige Handlungsbedarfe. Neben der unmittelbaren Auseinandersetzung mit physikalischen Betroffenheiten durch extreme Wettersituationen und der Einflüsse auf die Gesundheit und die Arbeitsfähigkeit von Mitarbeitenden gibt es eine Reihe zusätzlicher Betroffenheitsebenen. So zum Beispiel auf der regulatorischen Ebene: Bei Vorhaben, für die eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss, sind seit 2017 in Deutschland verpflichtend auch mögliche Betroffenheiten des Vorhabens durch die Folgen des Klimawandels zu berücksichtigen.

Darüber hinaus entstehen finanzpolitische Handlungsnotwendigkeiten für Unternehmen wie sie beispielsweise durch die EU-Taxonomie vorgegeben werden. Dieses Regelwerk trat in ersten Teilen zum 1. Januar 2022 in Kraft und zielt auf die Ausweisung entsprechend „taxonomiekonformer“, also an die Folgen des Klimawandels angepasster Unternehmensumsätze ab.

Eine weitere Vorgabe für Unternehmen stellt die „Task Force on Climate-related Financial Disclosures“, eine seit 2015 bestehende finanzpolitische Initiative des G20 „Financial Stability Board“, dar. Diese verfolgt die Zielsetzung, klimawandelbedingte finanzielle Risiken und Chancen zu einem Bestandteil des Risikomanagements und der strategischen Planungsprozesse von Unternehmen zu machen. Durch entsprechende Berichtspflichten sollen Unternehmen und Investoren ein größeres Bewusstsein und vertieftes Verständnis für die potentiellen finanziellen Auswirkungen des Übergangs zu einer kohlenstoffärmeren Wirtschaft und die klimabedingten physischen Risiken erhalten.

Klimafolgenbedingte Einflüsse verändern aber auch die marktlichen Bedingungen für Unternehmen: Rohstoffe und Anbauprodukte variieren in der erwarteten Qualität oder Menge, Konsumverhalten von Kunden ändern sich und die Reputation eines Unternehmens kann durch die Folgen des Klimawandels sowohl positiv wie auch negativ beeinflusst werden.

Zusammenfassend gibt es für Unternehmen in vielerlei Hinsicht gute und wichtige Gründe, sich mit den Folgen des Klimawandels auf Basis vorliegender Informationen umfassend strategisch wie operativ auseinanderzusetzen und den Klimaschutz und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels proaktiv als zusätzliche Rahmenbedingungen des Unternehmerischen mitzudenken.

Unterstützen der Anpassung in Städten

Insbesondere in Städten kommt es durch Versiegelung, dichte Bebauung und zusätzliche Wärmeemissionen zu Hitzeinseleffekten, die sich unter dem fortschreitenden Klimawandel verstärkt ausprägen. Um auf lokaler, städtischer Ebene auf den Klimawandel zu reagieren, müssen die lokalen Entscheidungskräfte aktiv werden können. Dazu sind wissenschaftlich fundierte Informationen und Instrumente notwendig und zusätzlich der Aufbau von Kapazitäten, damit die Informationen und Instrumente richtig angewendet werden können.

Ein gutes Beispiel für ein solches Instrument mit den dazugehörigen Schulungsangeboten ist „PALM-4U“ [11]. Hiermit können gegenwärtig für die Anwendungsfelder thermischer Komfort, Windgefahren und Schadstoffausbreitung Ist- und Plansituationen simuliert werden. So kann die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels abgeschätzt werden, bevor Entscheidungen getroffen werden. Dazu gehören unter anderem die Auswirkungen von blauen und grünen Infrastrukturen auf die Hitzebelastung und die Reduzierung des Hitzeinseleffektes. Perspektivisch werden weitere Analysemöglichkeiten hinzukommen wie zum Innenraumklima.

Damit „PALM-4U“ nicht nur von Wissenschaftler:innen genutzt werden kann, werden für Stadtplaner:innen und andere Interessierte Schulungen angeboten, um den Umgang mit dem Modell von der Aufbereitung der erforderlichen Eingangsdaten bis hin zur Ergebnisdarstellung und Interpretation erlernen zu können. Um dies zu unterstützen, wurde zudem eine geeignete Nutzerschnittstelle entwickelt, die die einzelnen Prozessschritte erleichtert. Bei auftretenden Problemen werden sich Anwender:innen an einen „HelpDesk“ wenden können.

Prof. Dr. Daniela Jacob Direktorin Climate Service Center Germany (GERICS)/Helmholtz-Zentrum Hereon 20095 Hamburg d.jacob@hereon.de zusammen mit Dr. Jörg Cortekar, Dr. Markus Groth, Dr. Diana Rechid, Dr. Peer Seipold, Maria Wolff

Literatur

[1] Imbery, F., Kaspar, F., Friedrich, K., Plückhahn, B. (2021): Klimatologischer Rückblick auf 2020: Eines der wärmsten Jahre in Deutschland und Ende des bisher wärmsten Jahrzehnts, Deutscher Wetterdienst (DWD): https://www.dwd.de/DE/leistungen/besondereereignisse/temperatur/ 20210106_rueckblick_jahr_2020.pdf?__blob= publicationFile&v=7

[2] Pfeifer, S., Rechid, D., Bathiany, S. (2020): Klimaausblick Deutschland. Dezember 2020, Climate Service Center Germany (GERICS): https://gerics.de/products_and_publications/ fact_sheets/index.php.de

[3] Pfeifer, S., Bathiany, S., Rechid, D. (2021): Klimaausblick Karlsruhe. Juni 2021, Climate Service Center Germany (GERICS): https://www.gerics.de/klimaausblick-landkreise

[4] Trenczek, J., Lühr, O., Eiserbeck, L. et al. (2022a): Übersicht vergangener Extremwetterschäden in Deutschland. Methodik und Erstellung einer Schadensübersicht. Projektbericht „Kosten durch Klimawandelfolgen“: https://www.prognos.com/sites/default/files/2022-07/Prognos_Klimawandelfolgen Deutschland_%C3%9Cbersicht%20vergangener%20Extremwettersch%C3%A4den_AP2_1.pdf

[5] Trenczek, J., Lühr, O., Eiserbeck, L. et al. (2022b): Schadenswirkungen von Überschwemmungen und Sturzfluten sowie Hitze und Dürre. Ein Vergleich der Extremereignistypen. Projektbericht „Kosten durch Klimawandelfolgen“: https://www.prognos.com/sites/default/files/2022-07/Prognos_KlimawandelfolgenDeutschland_Vergleich%20Flut%20und%20Hitze_AP2_3c.pdf

[6] Trenczek, J., Lühr, O., Eiserbeck, L. et al. (2022c): Schäden der Sturzfluten und Überschwemmungen im Juli 2021 in Deutschland. Eine ex-post-Analyse. Projektbericht „Kosten – durch Klimawandelfolgen“: https://www.prognos.com/sites/default/files/2022-07/ Prognos_KlimawandelfolgenDeutschland_ Detailuntersuchung%20Flut_AP2_3b_.pdf

[7] Romanello et al. (2022): The 2022 report of the Lancet Countdown on health and climate change: health at the mercy of fossil fuels. The Lancet, 400, 10363: 1557-1654: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(22)01540-9

[8] GERICS (2020): Gesundheit und Klimawandel. 2. Überarbeitete Auflage. Climate Service Center Germany (GERICS), Helmholtz-Zentrum Hereon. https://www.gerics.de/imperia/md/content/csc/gerics/gerics_broschuere_gesundheit_und_ klimawan-del_2020_1.pdf

[9] Hanefeld, C., Klaassen-Mielke, R., Miebach, J. et al. (2019): Einfluss von Wetterextrema auf Einsatzzahlen im Notarztdienst. Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin, 116: 154-160: https://doi.org/10.1007/s00063-019-00641-7

[10] Muthers, S., Laschewski, G. & Matzarakis, A. (2017): The summers 2003 and 2015 in south-west Ger-many: heat waves and heat-related mortality in the context of climate change. Atmosphere, 8: 1-13

[11] Cortekar, J., Willen, L., Büter, B. et al. (2020): Basics for the Operationalization of the new urban Climate Model PALM-4U. CliSer, 20: https://doi.org/10.1016/j.cliser.2020.100193

Weiterführende Informationen: https://hereon.de

Mittwoch, 03.05.2023